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27. Juni 2021

Achtsamkeitsübung so selbstverständlich wie Zähneputzen

Die Wissenschaftlerin Dr. Britta Hölzel zeigt in ihrer jahrelangen Forschung auf, dass die tägliche Achtsamkeitsmeditation positive Veränderungen im Gehirn bewirkt, die gerade in der heutigen Zeit wertvoll sind für ein gutes Wohlbefinden.

Wieso Dr. Britta Hölzel Achtsamkeit mit Zähneputzen vergleicht

Immer wenn ich mich in wissenschaftlichen Arbeiten mit Achtsamkeit auseinandergesetzt habe, kam ich mit Dr. Britta Hölzel in Berührung. Sie ist Diplom-Psychologin, Neurowissenschaftlerin, Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)- und Yoga-Lehrerin. Dr. Britta Hölzel forscht schon sehr lange im Bereich Achtsamkeit und promovierte am Bender Institute of Neuroimaging der Universität Giessen, war dann an der Harvard Medical School in Boston und an der Charité in Berlin. Sie ist als Referentin in Ausbildungslehrgängen für Achtsamkeitstrainer tätig und hat das I AM - Institut für Achtsamkeit und Meditation gegründet.

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Dr. Britta Hölzel

Dr. Britta Hölzel spricht mir aus dem Herzen, wenn sie sagt, dass es für uns selbstverständlich ist, etwas für den Körper zu tun, um ihn kräftig und gesund zu erhalten. Körperpflege ist ganz selbstverständlich für uns geworden, jedes Kind putzt sich täglich die Zähne und lernt dies sogar in der Schule. Es ist jedoch weniger selbstverständlich, dass es einen Weg gibt das eigene Wohlbefinden, die geistige Gesundheit, zu pflegen. Für den Grossteil ist dies sicher noch nicht so selbstverständlich wie Zähneputzen.

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Ganz bei der Sache sein macht glücklich

Ich persönlich verbinde diese beiden Tätigkeiten gerne miteinander – ich putze mir also achtsam die Zähne. Läufst du Zähne putzend durch die Wohnung und erledigst nebenbei noch anderes? Killingsworth und Gilbert haben in ihrer Studie aufgezeigt, dass wir mit der Aufmerksamkeit rund 50% der Zeit nicht bei dem sind, was wir gerade tun. Weiter wurde aufgezeigt, dass wir glücklicher sind, wenn wir mit der Aufmerksamkeit ganz bei der Sache sind. Dies unabhängig davon, ob die Tätigkeit als angenehm oder unangenehm eingestuft wird.

Eine Definition von Achtsamkeit lautet:
Das Gewahrsein des Erlebens im gegenwärtigen Moment
mit einer Haltung der Akzeptanz, Neugierde und Offenheit.

Dies klingt einfacher als es ist. Der Geist ist sehr schnell in der Vergangenheit oder der Zukunft.

"Für mich existiert nur das JETZT. Jetzt ist Bewusstheit, ist Wirklichkeit.
Die Vergangenheit ist nicht mehr und die Zukunft noch nicht"
Perls, 1976, S. 32

Positive Veränderungen im Gehirn durch Achtsamkeit

Eine Studie von Hölzel et al., die ich sehr anschaulich finde, stelle ich hier gerne vor. Das Gehirn von 16 Teilnehmenden eines MBSR Kurses wurde mittels Magnetresonanztomographie untersucht und mit dem Gehirn von 17 Personen verglichen, die keinen solchen Kurs besucht haben. Ein MBSR-Kurs (Mindfulness Based Stressreduction) dauert 8 Wochen mit einem Kursabend pro Woche. Die Experimentalgruppe, also die Personen, die am Kurs teilgenommen haben, zeigte nach dem Kurs eine Zunahme der Dichte der grauen Substanz. Dies ist die äussere Schicht des Gehirns, welche die weisse Substanz umfasst und in der die Körper der Nervenzellen liegen. Diese Veränderung zeigte sich in verschiedenen Hirnregionen, u. a. in dem Bereich, der für das Schmerzempfinden zuständig ist, im Kleinhirn, das unsere Aufmerksamkeit steuert und in Regionen, die für Selbstwahrnehmung und Mitgefühl zuständig sind. Es gibt Achtsamkeitsmeditationen, die das Mitgefühl ganz konkret anregen. Dies wird an einem Übungsabend des Kurses praktiziert. Weiter wurde im Hippocampus eine Erhöhung der Dichte der grauen Substanz gefunden, was die Lern- und Gedächtnisprozesse unterstützt. Eine Abnahme der Dichte der grauen Substanz war in der Amygdala feststellbar, was mit einer Abnahme des Stresserlebens einhergeht. Die Kontrollgruppe, also die Personen, die nicht am Kurs teilnahmen, zeigte keine solchen Veränderungen.

Anforderungen der heutigen Zeit

Gerade in der heutigen Zeit sind diese Veränderungen im Gehirn wertvoll für das Wohlbefinden. Gründe dafür sind:

  • Zunehmende Reizüberflutung
  • Informationsflut
  • Voraussetzung von gutem Umgang und Regulation eigener Gefühle
  • Erhöhtes Stressempfinden
  • Zunahme der Bevölkerungsdichte
  • Einsamkeit
  • Häufung von Angstzuständen
  • Steigendes Selbstmanagement als Anforderung im Beruf
  • Stetige Weiterbildung gefordert
Um die Umsetzung zu unterstützen, benötigt es die tägliche Übung in formaler Achtsamkeitsmeditation. In dieser Übung wird das eigene Erleben, Fühlen und Denken erforscht. So ist es möglich eigene Muster zu erkennen. Die Erkenntnis wiederum ist eine Voraussetzung diese Muster loslassen zu können. In unserem Alltag sind wir sehr im Tun, im automatischen Handeln. Achtsamkeit kann dabei helfen, mehr ins Sein zu kommen.

Regelmässig biete ich Übungsabende an. Entweder in der Form einer 30-minütigen Praxis oder als 60-minütige Auseinandersetzung mit Achtsamkeit. Mehr Informationen zu diesem Angebot findest du hier Für die aktuellen Daten und die Anmeldung klicke hier

Literatur:

- Das meditierende Gehirn. Achtsamkeit wissenschaftlich erforscht, www.youtube.com/watch?v=0a5dvfL0-II , Vortrag von Dr. Britta Hölzel am 6.2.2018

- Hölzel, B. K., Carmodyc, J., Vangela, M., Congletona, C., Yerramsettia, S. M., Gard, T. et al. (2011). Mindfulness Practice Leads to Increases in Regional Brain Gray Matter Density. Psychiatry Research, 191 (1), 36–43. doi:10.1016/j.pscychresns.2010.08.006

- Killingsworth, M. A. & Gilbert, D. T. (2010). A Wandering Mind Is an Unhappy Mind. Science, 330(6006), 932–932. doi.org/10.1126/science.1192439

- Perls, F. (1976). Grundlagen der Gestalttherapie. Einführung und Sitzungsprotokolle. München: Pfeiffer.

Bilder:
- Julia Rotter
- unsplash