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15. April 2024

Digitalisierung des Arbeitsplatzes - Erleichterung oder Belastung?

Eine Online-Sitzung von zuhause aus, Dokumente unterwegs anschauen und eine E-Mail lesen, während dem das Kind in den Schlaf gestreichelt wird. Die Digitalisierung des Arbeitsplatzes ermöglicht das Arbeiten nicht mehr nur am Arbeitsort, sondern immer und überall. Gerade seit der Covid-Pandemie haben viele neue Technologien Einzug gehalten und die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit sind fliessend. Dies erleichtert die Arbeit teilweise, kann aber auch belastend sein.

Welche Erleichterungen und welche Belastungen bestehen?

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Stress ist eine enorm grosse Sorge der Schweizer Bevölkerung. In einer repräsentativen Umfrage gaben 39% an, Stress als eines der grössten gesundheitlichen Probleme zu sehen, mit denen Menschen in der Schweiz konfrontiert sind. Im globalen Vergleich liegt die Schweiz gemeinsam mit Argentinien damit an der Spitze. Bei Stress am Arbeitsplatz, liegt zum ersten Mal seit 2014 der Wert der emotionalen Erschöpfung über 30%. Das heisst, rund ein Drittel der Schweizer Erwerbstätigen erleben über einen längeren Zeitraum mehr Belastungen als sie ausgleichen können, bis hin zur Erschöpfung. Wird die Stresskurve betrachtet, ist Erschöpfung die Vorstufe von Burnout. Doch wie steht das im Zusammenhang mit der Digitalisierung?

Die Digitalisierung bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Wer im Homeoffice arbeitet kann tagsüber einkaufen, den Mittag mit den Kindern verbringen oder die sonst benötigte Pendelzeit einsparen. Dies führt zu Vorteilen wie der Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort, einer besseren Vereinbarkeit von Freizeit und Beruf, sowie zu Effektivitätssteigerung. Die Digitalisierung bedeutet aber auch, dass der Mensch sich umgewöhnen und laufend Neues lernen muss, sowie mit zahlreichen Programmen und Reizen konfrontiert ist und dies immer und überall. Dies kann zu Stress führen. Paradoxerweise sind also die genannten Vorteile gleichzeitig auch Nachteile, wie:

  • Stärkerer Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben
  • Verringerter Arbeitsleistung
  • Sinkender Arbeitszufriedenheit / weniger Verbundenheit mit dem Arbeitgeber
  • Stärkere emotionale Erschöpfung
  • Tieferes Wohlbefinden
  • Höhere Anzahl gesundheitlicher Beschwerden, wie Kopfschmerzen, nächtliche Schlafstörungen, allgemeine Müdigkeit, Rückenschmerzen.

Was ist die Lösung?

Welche Punkte bei einem Menschen zu Stress führen ist sehr individuell. Folgende digitale Stressoren sind aus aktueller Literatur bekannt:

  • Leistungsüberwachung
  • Permanenter Anpassungsdruck
  • Hohes Mass an Informationen / E-Mail-Flut
  • Erwartungen der Erreichbarkeit
  • Fehlende soziale Kontakte, fehlender Austausch
  • Multitasking
  • Omnipräsenz
  • Unterbrechung
  • Angst vor Arbeitsplatzverlust
  • Keine Zeit für Verarbeitung
Zum Ausgleich digitalen Stresses im Arbeitsumfeld gibt es die Möglichkeit auf drei Ebenen anzusetzen; beim Unternehmen, Team und Individuum. Eine Sensibilisierung für digitalen Stress kann in Unternehmen durch Schulung des Managements und Führungspersonen geschehen. So kann es bspw. bereits hilfreich sein, wenn die Führungsperson die Erreichbarkeit im Team bespricht und klar festlegt. Es ist keine Seltenheit, dass auch ausserhalb der regulären Arbeitszeit E-Mails verschickt werden. Wenn die Erreichbarkeit nicht festgelegt wurde, fühlt sich die empfangende Person oftmals unter Druck möglichst rasch zu antworten. Spannenderweise hat die sendende Person eine tiefere Erwartung der Reaktionszeit (e-mail urgency bias). Die Führungsperson kann die Mitarbeitenden weiter entlasten, indem sie das Thema Boundary Managementanspricht. Gemäss dieser Theorie lassen sich alle Mitarbeitenden auf einem Kontinuum von Separator zu Integrator einordnen. Für Separators ist es wichtig, Arbeit und Freizeit klar zu trennen. Integrators lassen Arbeit und Freizeit fliessend ineinander übergehen. Zu wissen, wo die einzelnen Teammitglieder sich einordnen, erleichtert die digitale Zusammenarbeit.

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Auch auf der Stufe der Arbeitnehmenden gibt es viele Ansatzpunkte. Es gibt überzeugende Befunde zu Achtsamkeit im Umgang mit digitalem Stress. Die bewusste Wahrnehmung von Stressoren ermöglicht angepasstes Handeln und eine bessere Bewältigung bspw. der Informationsflut. In einer Studie konnten Messungen von Hirnströmen nachweisen, dass achtsame Pausen bei Online-Sitzungen hilfreich sind. So kumuliert sich bei pausenlosen Online-Sitzungen der Stress, die Ablenkungen steigen und das Engagement sinkt. Pausen mit einer Achtsamkeitsübung hingegen lassen das Hirn resetten. Die vorangehende Sitzung lässt sich abschliessen, das Stresslevel sinkt und die Bereitschaft für die nächste Sitzung steigt. Apropos Ablenkungen; wer sich von Reizen leicht unterbrechen lässt, sollte unbedingt in den Einstellungen der diversen Applikationen Benachrichtigungen in Form von Pop-up oder Ton deaktivieren. Nicht alle Unternehmen haben dies als Standardeinstellung festgelegt. Ebenfalls auf der Stufe des Individuums lässt sich das Thema mangelnde soziale Kontakte angehen. Aus diversen Studien geht hervor, dass fehlende soziale Kontakte bis hin zu Einsamkeit ein Stressor digitaler Arbeit sein können. Im Homeoffice öfter mal Fragen telefonisch klären, bringt erstens mehr Nähe und zweitens spart es oftmals ein unnötiges E-Mail-Ping-Pong. Neben der Quantität hat aber auch die Qualität einen grossen Einfluss auf unsere Zufriedenheit. Ab 50% virtueller Kommunikation leidet die Beziehungsqualität zur Führungsperson resp. zu Kolleg:innen. Dabei ist eine gute Beziehung zur Führungsperson wichtig, um mit Ängsten vor der Digitalisierung, wie z.B. dem Arbeitsplatzverlust, umzugehen. Genauso wichtig ist eine gute Beziehung zu den Kolleg:innen, sie haben einen puffernden Effekt auf Stress. Analoge Kommunikation sollte also die virtuelle überwiegen.

Wie weiter?

Die Auswirkungen von digitalen Technologien im Arbeitsumfeld stellen zunehmend eine Herausforderung für Arbeitgebende und Arbeitnehmende dar. Es ist unerlässlich, dass Unternehmen diesen Aspekt bei der Förderung einer gesunden Arbeitsweise bedenken. Melden Sie sich bei mir, wenn Sie einen Workshop mit Ihren Führungspersonen oder Teams wünschen. Darüber hinaus sollten individuelle Strategien zur Stressbewältigung entwickelt und angewendet werden, um die negativen Auswirkungen von digitalem Stress zu minimieren und von den technischen Errungenschaften im Arbeitsumfeld profitieren zu können. Melden Sie sich frühzeitig bei mir für ein individuelles Coaching.

Quellen:

  • Böhm, S. A., Baumgärtner, M. K., Breier, C., Götz, T. M., & Walther, M. (2019). Gesundheitliche Effekte des digitalen Wandels im Arbeitsumfeld—Ergebnisse einer repräsentativen Längsschnittanalyse der Universität St. Gallen im Auftrag der BARMER Krankenkasse. Universität St. Gallen.
  • Genner, S. (2023). New Work. In Knappertsbusch, Inka & Wisskirchen, Gerlind Die Zukunft der Arbeit. New Work mit Flexibilität und Rechtssicherheit gestalten. Springer Gabler Wiesbaden. doi.org/10.1007/978-3-658-42232-5
  • Gesundheitsförderung Schweiz. Job-Stress-Index 2022. gesundheitsfoerderung.ch/sites/default/files/migration/documents/Faktenblatt_072_GFCH_2022-08_-_Job-Stress-Index_2022.pdf
  • Giurge, L. M., Bohns, V. K. (2021). You don’t need to answer right away! Receivers overestimate how quickly senders expect responses to non-urgent work emails, Organizational Behavior and Human Decision Processes. (Volume 167, Pages 114-128) doi.org/10.1016/j.obhdp.2021.08.002.
  • Hasenbein, M. (2020). Digitaler Stress und digitale Balance. In Der Mensch im Fokus der digitalen Arbeitswelt. Springer, Berlin, Heidelberg. doi.org/10.1007/978-3-662-61661-1_8
  • Ipsos, Global Health Service Monitor 2022. A global advisor survey. ipsos.com/sites/default/files/ct/news/documents/2022-10/Ipsos- global-health-service-monitor-2022_SWITZERLAND.pdf
  • Lanzl, J., Manner-Romberg, T., Nüske, N. & Gimpel, H., 2022. Digitaler Stress in Deutschland: Eine Befragung von Erwerbstätigen zu Belastung und Beanspruchung durch Arbeit mit digitalen Technologien. 10.5771/9783748922933-265.
  • Microsoft’s Human Factors Lab (2021). Research Proves Your Brain Needs Breaks. Verfügbar unter: microsoft.com/en-us/worklab/work-trend-index/brain-research
Bilder:
Resume Genius, unsplash und Jeffery Erhunse, unsplash